Das Bobath - Konzept

Grundlegende Annahme
Das Konzept beruht auf der Annahme der Plastizität des Gehirns, das heißt, dass gesunde Hirnregionen die zuvor von den erkrankten Regionen ausgeführten Aufgaben neu lernen und übernehmen können. Häufig sind bei traumatischen Hirnschädigungen nicht die eigentlichen Kontrollzentren zerstört, sondern Verbindungswege unterbrochen, die mit konsequenter Förderung und Stimulation des Patienten durch alle betreuenden Personen neu gebahnt werden können.

Die Bobaths erkannten die Möglichkeiten, die sich durch die Plastizität des Gehirns ergeben. Verloren gegangene Funktionen, zum Beispiel nach einem Schlaganfall, können durch Vernetzung und Intensivierung anderer Hirnbereiche wiedererlangt werden. Hierzu werden Bewegungssequenzen durch repetitives Üben (ständiges Wiederholen) wieder „eingeschliffen“. Das heißt, es werden intakte Verbindungen (Synapsen) zwischen den Nervenfasern rekrutiert, so dass neuronale Funktionsverbände aufgebaut werden, um die motorische Funktion herzustellen.

Hemiplegiker neigen häufig dazu, ihre gelähmte Körperseite zu vernachlässigen und ihre Einschränkungen um so mehr mit ihrer beweglichen (weniger betroffenen) Körperseite zu kompensieren. Solche einseitigen Bewegungen helfen dem Patienten jedoch nur vordergründig, da die mehr betroffene Seite nicht die Möglichkeit erhält, neue Informationen zu empfangen und zu verarbeiten. Das Gehirn erhält somit nicht die Aufgabe, sich umzustrukturieren. Statt dessen besteht auf Grund asymmetrischer Bewegungen eher die Gefahr, schmerzhafte Spastiken zu entwickeln.
Das Hauptprinzip des Bobath-Konzepts bezieht dagegen die mehr betroffene Körperseite immer wieder in Alltagsbewegungen ein, indem sie sensorisch stimuliert wird, um sie in ihren Bewegungen mit der weniger betroffenen Körperhälfte in Einklang zu halten.


Die Begründer
Berta Bobath (1907–1991), geboren in Berlin, als Jüdin mit ihrem Sohn aus erster Ehe nach England emigriert, hat als Krankengymnastin erkannt, dass sich Spastik durch verschiedene Bewegungen und Positionen beeinflussen ließ. Die Entwicklung des Bobath-Konzeptes begann etwa um 1943. Frau Bobath entdeckte bei der Behandlung schwer spastischer Patienten, dass die Spastik des Patienten durch bestimmte Lagerungen, Stellungen und Bewegungen nachließ oder sogar verschwand. Sie erkannte, dass Spastik nicht wie bisher allgemein angenommen eine feststehendes, konstantes Phänomen ist, sondern von der Stellung und der Bewegung des Körpers beeinflusst wird. Durch systematische Beobachtung vieler Patienten und Erprobung weiterer Behandlungstechniken entstand so das Bobath-Konzept als empirisches (auf Erfahrungen gestütztes) Behandlungskonzept.

Ihr Mann Karel (1906–1991) studierte in seiner Geburtsstadt Berlin Medizin und legte dort 1932 sein erstes Staatsexamen ab. Nach 1933 durfte er als Jude in Deutschland kein Examen mehr ablegen und beendete sein Studium deshalb in Prag und Brünn. Nach der Besetzung Tschechiens durch die deutsche Wehrmacht 1939 flüchtete er von dort nach England, wo er „Bertie“ 1941 heiratete. 1951 gründeten sie ein privates Zentrum zur Behandlung von Patienten mit zerebralen Bewegungsstörungen. 1958 kamen sie nach langer Zeit erstmals nach Deutschland.

Karl Bobath hat den Überlegungen und Entdeckungen seiner Frau zunächst widersprochen, musste aber anhand seiner eigenen Studien feststellen, dass sie doch Recht hatte. Als Neurologe erarbeitete er die neurophysiologischen Grundlagen und wirkte mit ihr Jahrzehnte lang für die Verbreitung des Bobath-Konzepts.


Konzept, nicht Methode
Das Ehepaar Bobath bezeichnete die von ihm entwickelte Arbeitsweise ausdrücklich als Konzept und nicht als Methode. Das Bobath-Konzept beinhaltet also keine vorgeschriebenen Techniken, Methoden oder Übungen, die mit allen Patienten in stets gleicher Weise zu absolvieren sind, sondern es berücksichtigt vielmehr die individuellen Möglichkeiten und Grenzen eines Patienten und bezieht diese unter Anwendung einiger Prinzipien in Pflege und Therapie ein.


Inhalt und Ziel des Bobath-Konzeptes
Das Bobath-Konzept ist das weltweit in allen therapeutischen und pflegerischen Bereichen erfolgreich angewandte Konzept zur Rehabilitation von Menschen mit Erkrankungen des ZNS, die mit Bewegungsstörungen, Lähmungserscheinungen und Spastik einhergehen.

Die Kernprobleme bei der Arbeit nach dem Bobath-Konzept sind die zentral bedingte teilweise oder vollständige Lähmung (Parese bzw. Plegie) eines Körperabschnittes, die Haltungs-, Gleichgewichts- und Bewegungsstörungen, unkontrolliert erniedrigte Muskelspannung (Hypotonus, schlaffe Lähmung) bzw. unkontrolliert erhöhte Muskelspannung (Hypertonus, Spastik) sowie die Störungen der Körperselbstwahrnehmung (Propriozeption).

Das Bobath-Konzept strebt einen Lernprozess des Patienten an, um mit ihm die Kontrolle über die Muskelspannung (Muskeltonus) und Bewegungsfunktionen wieder zu erarbeiten. Die Arbeitsprinzipien des Bobath-Konzeptes sind Regulation des Muskeltonus und Anbahnung physiologischer Bewegungsabläufe. Alle Lernangebote an den Patienten werden nach diesen beiden Prinzipien gestaltet und auch vom Erfolg her beurteilt.

Die "Methoden" des Bobath-Konzeptes sind Lernangebote, die dem Patienten nach einem individuellen Befund von Problemen, Ressourcen und Zielen wiederholt und gezielt entgegengebracht werden. Lernangebote sind insbesondere die Lagerung (Vermeidung bzw. Hemmung der Spastik), das Handling (Bewegungsanbahnung) und das Selbsthilfetraining (Anbahnung der Selbstpflegefähigkeit). Schematisiertes Arbeiten mit stets gleichförmigen "Übungen" ist nicht im Sinne des Bobath-Konzeptes.

Therapie und Pflege von hirngeschädigten Menschen nach dem Bobath-Konzept müssen so früh wie möglich beginnen, damit negative Entwicklungen wie Ausbildung von Spastik und Erlernen unphysiologischer bzw. unnötiger, kompensatorischer Bewegungsabläufe verhindert bzw. kontrolliert werden können. Hemiplegiepatienten, die im Akutkrankenhaus nach Bobath betreut wurden, haben bessere Erfolgsaussichten in der weiteren Rehabilitation. Das Bobath-Konzept involviert das gesamte therapeutische Team in ineinandergreifender Zusammenarbeit neben den Physio- und Ergotherapeuten insbesondere die Krankenpflege.

Patienten für das Bobath-Konzept
Zunächst wurden nur Säuglinge und Kinder mit angeborenen Bewegungsstörungen (Kinder mit Zerebralparese) „nach Bobath“ behandelt.

Patienten mit Hirnschäden und zentralen Lähmungen galten noch vor einigen Jahren als Pflegefälle. Durch gezielte pflegerische und therapeutische Maßnahmen können sie heute durchaus erfolgreich rehabilitiert werden. Typische Anwendungsbereiche des Bobath-Konzeptes sind alle Krankheitsbilder mit zentral bedingten Lähmungen, die mit Spastik einhergehen.

Die Zahl der Patienten mit ischämischen (durch Minderdurchblutung bedingten) Insulten (Anfällen), die die akute Phase des Krankheitsgeschehens überleben, nimmt in den letzten Jahren erheblich zu. Sofortiges Einsetzen der Bobath-Therapie und veränderte Gestaltung der Krankenpflege nach dem Bobath-Konzept verbessern die weiteren Aussichten dieser Patienten im Hinblick auf Selbstständigkeit und Unabhängigkeit in den Aktivitäten des täglichen Lebens (ATL).

Weitere Zielgruppen für die Anwendung des Bobath-Konzeptes sind Menschen mit Krankheitsbildern wie z. B. Zuständen nach Hirnblutungen – intracranielle Blutungen (ICB) und Subarachnoidalblutungen (SAB) –, Schädel-Hirn-Traumen (SHT), Zuständen nach neurochirurgischen Operationen, Multipler Sklerose (Enzephalomyelitis disseminata, ED), entzündlichen Erkrankungen des Zentralnervensystems (ZNS), dem apallischen Durchgangssyndrom sowie allen anderen Erkrankungen des ZNS, die mit Spastik bzw. Lähmungen einhergehen. Bei diesen Menschen wird das Bobath-Konzept in allen Bereichen von Therapie und Pflege erfolgreich eingesetzt. Fachgerechte Pflege nach den Prinzipien des Bobath-Konzeptes ist für den erkrankten Menschen nicht nur erfahrene Hilfe durch Pflege, sondern auch gezielte Therapie an seinen individuellen Problemen. Deshalb spricht man von der Pflegetherapie nach Bobath.


Ziel, Aufgaben
Das Ziel des Bobath-Konzepts ergibt sich aus den zentralen Problemen von Patienten mit Schädigungen des ZNS: der zentral bedingten, teilweisen oder vollständigen Lähmung  eines Körperabschnittes, den damit verbundenen komplexen Bewegungsstörungen, der unkontrollierten Muskelspannungsveränderung (Spastik, schlaffe Lähmung), den Störungen im Gesicht (Fazialisparese) des Patienten und beim Kauen und Schlucken (Dysphagie) sowie den propriozeptiven Wahrnehmungsstörungen.

Zu Beginn einer erworbenen Hirnerkrankung ist die Muskulatur schlaff, wird aber oft im Laufe weniger Wochen mehr oder weniger spastisch (krankhaft erhöhte Spannung). Ganze Körperabschnitte werden in ein typisches spastisches Muster gezogen und unterliegen nicht mehr der Eigenkontrolle.

Ziel der Therapie ist es, verloren gegangene sensomotorische Funktionen, wie das Gehen oder das Anziehen von Kleidungsstücken, wieder anzubahnen. Eine Kompensation wird erst in einem späten Stadium der Rehabilitation in Betracht gezogen, wenn nicht mehr zu erwarten ist, dass die Funktion zurückerlangt werden kann. Die Behandlung soll in den täglichen Tagesablauf einbezogen werden.

So ergeben sich folgende Aufgaben des Bobath-Konzepts:

  • Vermeidung bzw. Hemmung von Spastik und Wiederherstellung eines angepassten Muskeltonus
  • Anbahnung normaler, beidseitiger Bewegung
  • Vermeidung kompensatorischen Fehleinsatzes der nicht betroffenen Seite
  • Normalisierung der Wahrnehmung des eigenen Körpers und der Umwelt
  • Anbahnung normaler Gesichts-, Mund-, Zungen- und Schlund-Motorik
  • Selbstständigkeit in den Aktivitäten des täglichen Lebens (ATLs).


Heute wird das Bobath-Konzept von allen einschlägig befassten Berufsgruppen der Medizin angewandt. Es werden Säuglinge, Kinder und Erwachsene behandelt. In entsprechenden Einrichtungen bestehen ganze Teams inkl. Ärzte, Therapeuten und Pflegepersonal, die das Konzept aufgegriffen haben und versuchen, es ganzheitlich im 24-Stunden-Management zu betreiben.


Vorteile für den Patienten
Mit dem Bobath-Konzept soll im Gegensatz zu herkömmlichen Methoden keine notdürftige Kompensation der Lähmungen, sondern das Wiedererlernen normaler Bewegungsfähigkeiten erreicht werden. Intensive Mitarbeit des Patienten vorausgesetzt, wird er wieder selbstständiger in den Aktivitäten des täglichen Lebens. Dauernde Pflegebedürftigkeit, Abhängigkeit von fremder Hilfe und Unterbringung im Pflegeheim können so in vielen Fällen verhindert werden. Der frühzeitige Einsatz von Therapie und Pflege nach dem Bobath-Konzept schon auf der Intensivstation kann negative Entwicklungen wie die Ausbildung von Spastik und das Erlernen unphysiologischer Bewegungsabläufe zu vermindern oder zu vermeiden helfen. Die fortgesetzte Anwendung der Prinzipien des Bobath-Konzeptes bewirkt für alle Patienten bessere Erfolgsaussichten in der weiteren Rehabilitation.


Teamverantwortung für Pflege und Therapie
Das Bobath-Konzept ist ein 24-Stunden-Konzept. Da das Gehirn immer lernt, müssen die Lernangebote ständig richtig gestaltet werden, um fehlerhafte Lernprozesse zu vermeiden. Der Lernprozess nach dem Bobath-Konzept findet somit nicht nur während zeitlich begrenzter Therapieeinheiten statt, sondern ist ständiger Bestandteil des gesamten Tagesablaufes. Dazu ist es erforderlich, dass sich jeder, der mit dem Patienten Kontakt hat, nach den beiden Prinzipien des Bobath-Konzeptes (Regulation des Muskeltonus und Anbahnung physiologischer Bewegung) orientiert. Der Patient selbst, Physiotherapeuten, Pfleger/innen, Ergotherapeuten, Sprachtherapeuten, Ärzte, andere Therapeuten und Angehörige des Patienten orientieren sich im Idealfall an einem gemeinsamen, für den Patienten individuellen Ansatz, um das Lernangebot für das Gehirn so gleichartig und unwidersprüchlich wie möglich zu gestalten.

Pfleger/innen verbringen die meiste Zeit mit dem Patienten. Deshalb übernimmt die Alten- und Krankenpflege im Bobath-Konzept viel Verantwortung; sie wird Bestandteil der Therapie. Es ist daher sehr wichtig, das Pflegepersonal im Bobath-Konzept auszubilden; ein eigener Verband (BIKA Bobath-Initiative für Kranken- und Altenpflege e. V.) widmet sich dieser Aufgabe.

Physiotherapeutinnen stellen sich darauf ein, dass sie im Team für jeden Patienten ein individuelles Therapiekonzept zu erstellen haben, das vom behandelnden Arzt nicht vorgegeben werden kann. (Die meisten Ärzte sind im Bobath-Konzept nicht ausgebildet; es werden aber Ärztekurse angeboten, um dieses Manko zu reduzieren.) In der Berufsgruppe der Physiotherapeutinnen sind Information über und Ausbildung im Bobath-Konzept am weitesten verbreitet.

Die enge Zusammenarbeit im therapeutischen Team bezieht den Patienten selbst, Ergotherapeuten, Sprachtherapeuten, andere Therapeuten und Angehörige des Patienten ein. (Viele Ergotherapeutinnen haben Bobath-Kurse absolviert.)

Für alle mit Mobilisation und Handling des Patienten Befassten ist günstig, dass das Bobath-Konzept besonders rückenschonende und körperökonomische Vorgangsweise ermöglicht: Man orientiert sich an der normalen Bewegung des Menschen und arbeitet ausschließlich mit Zug- und Hebelkräften. Der Patient wird in keinem Fall gehoben.

Entscheidender Faktor für den Erfolg ist das Ineinandergreifen der Arbeit insbesondere von Physiotherapie und Pflege. Das Bobath-Konzept stellt an beide Berufsgruppen besondere Anforderungen, nicht nur, was fachliche Kenntnisse betrifft, sondern auch bei der Fähigkeit zu unhierarchischer Teamarbeit und Kommunikation.


Schwerpunkte in Therapie und Pflege
Das Bobath-Konzept strebt einen Lernprozess des Patienten an, um ihm die Kontrolle über den Muskeltonus und die verlorenen Bewegungsfunktionen wiederzugeben. Dieser Lernprozess basiert auf der lebenslangen Lernfähigkeit des Gehirns durch ständige Umorganisation der Zusammenarbeit der Nervenzellen untereinander und der unvollständigen Nutzung der Nervenzellen des Gehirns (Plastizität). Das "Ergebnis" dieses angestrebten Lernprozesses ist die Bahnung von Funktionen auf der Ebene der Nervenzellen im Gehirn durch die Aktivierung vorhandener Synapsen (Verbindungen zwischen Nervenzellen) bzw. die Bildung neuer synaptischer Verbindungen zwischen den Nervenzellen.

Der Lernprozess nach dem Bobath-Konzept findet nicht nur während zeitlich begrenzter Therapiesitzungen statt, sondern ist ständiger Bestandteil des gesamten Tagesablaufes. Alle an der Rehabilitation Beteiligten arbeiten eng zusammen. Patient, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Krankenpflege, Ärzte und Angehörige des Patienten orientieren sich rund um die Uhr an gemeinsamen berufsübergreifenden Arbeitsprinzipien.


Lernangebot Lagerung
Seine Lagerung stellt wegen der regelmäßigen Wiederholung gerade in der Akutphase ein besonders wichtiges Lernangebot an den Patienten dar. Über konsequent durchgeführte und fachgerechte Lagerung kann in jedem Fall eine Muskeltonuserhöhung günstig beeinflusst und begrenzt werden. Ebenfalls wird eine unerwünschte Behinderung des durchaus erwünschten Aufbaus eines funktionellen Muskeltonusses verhindert. Ohne therapeutische Lagerung sind die Rehabilitationsaussichten wesentlich ungünstiger.

Für Patienten mit Störungen der Körperwahrnehmung, die oft durch große Unruhe oder starke Spastik auffallen, ist die Lagerung eine gute Möglichkeit, die Wahrnehmung des eigenen Körpers gezielt zu intensivieren. Ganz im Gegensatz zu verbreiteten Vorstellungen der Dekubitus-Prophylaxe wird man versuchen, diese Patienten eher hart zu lagern. Über den höheren Auflagedruck und die zusätzliche Einbettung festen Lagerungsmateriales und damit mehr Kontaktfläche auch an den nicht aufliegenden Körperteilen soll der Patient mehr Spürinformation über den eigenen Körper erhalten.

Selbstverständlich muss in jedem Einzelfall eine individuelle Abwägung zwischen der Dekubitusgefahr auf der einen Seite und dem pflegetherapeutischen Nutzen härterer Lagerung andererseits erfolgen. In vielen Fällen wird man allein durch die regelmäßige Umlagerung in kürzeren Intervallen aber schon eine ausreichende Dekubitus-Prophylaxe erzielen!


Lernangebot Mobilisation und Handling
Die therapeutisch richtige Handhabung (das „Handling“) des Patienten bei der Bewegung muss z.B. bei jeder Mobilisation, u.a. beim Betten, beim Umlagern, beim Aufstehen und Umsetzen in den Rollstuhl, beachtet werden. Immer, wenn ein Patient bewegt oder transportiert wird oder sich mit Hilfe selbst bewegen soll, werden Handling-Techniken eingesetzt. Die betreuende Person (Therapeutin, Pflegerin, Angehörige) macht durch Gestaltung der Situation und durch Führen der betroffenen Körperteile dem Patienten ein Lernangebot, die ausgefallenen Bewegungsfunktionen wiederzuerlangen. Der Patient setzt die Fähigkeiten seiner weniger betroffenen Körperseite ein. Durch Führen in physiologische Bewegungsabläufe hinein und damit richtigen Input als Lernangebot wird die Anbahnung bzw. Wiedererlangung normaler, bilateraler Bewegung ermöglicht.


Lernangebot Selbsthilfetraining (ADL-Training)
Das Selbsthilfetraining heißt auch ADL-Training (activity of the daily living), da hier die Selbständigkeit bei den Aktivitäten des täglichen Lebens (ADL) geübt wird. Durch die Einbeziehung von regelmäßig wiederkehrenden Alltagstätigkeiten in die Bobath-Therapie wird der Lernprozess des Patienten besonders intensiviert. Durch Gestaltung der Ausgangssituation (Lagerung bzw. Ausgangsstellung des Patienten, Hilfsmittel, Umgebung) wird eine Kontrolle des Muskeltonus angestrebt.

Aus dieser tonuskontrollierten Situation heraus lernt der Patient durch Führung, seine betroffenen Körperanteile bzw. seinen gesamten Körper immer wieder in Aktivitäten einzubeziehen. Damit ist neben der Selbstständigkeit bzw. Selbsttätigkeit auch wieder die Anbahnung bzw. der Abruf physiologischer, vor der Erkrankung erlernter Bewegungsprogramme verbunden. Geeignete Bereiche für therapeutisch gestaltetes ADL-Training sind z. B. Körperpflege, An- und Ausziehen und Nahrungsaufnahme. Es handelt sich dabei um für den Patienten aus der Zeit vor seiner Erkrankung vertraute Handlungen, für die er vor seiner Erkrankung genaue Konzepte und Bewegungsprogramme besaß. Pflege und Therapie können so auf konkrete Bewegungserfahrung zurückgreifen und müssen nicht von Grund auf neue, zunächst abstrakte Bewegungen erarbeiten. Motivation und Orientierung des Patienten sind durch die vertraute, konkrete und lebenspraktisch wichtige Situation meistens besser als in abstrakten und fern der Lebenspraxis gestalteten Übungssituationen.

Besonders bei der Körperpflege ergeben sich Möglichkeiten therapeutischer Stimulation der Körper-Eigenwahrnehmung (Propriozeption). Hier finden sich interessante Parallelen zwischen dem Bobath-Konzept und der Basalen Stimulation, die einen gegenseitig ergänzenden Einsatz beider Konzepte bei manchen Patienten nahelegen.

Grenzen der Arbeit nach Bobath
Der Rehabilitationserfolg bei hirngeschädigten Patienten ist auch bei der Arbeit nach dem Bobath-Konzept nicht garantierbar und von zahlreichen Faktoren abhängig. Die der Erkrankung zugrunde liegende Hirnschädigung kann mit der Arbeit nach Bobath nicht ungeschehen gemacht werden. Sie beeinflusst nach Art und Umfang natürlich die Lernfähigkeit, d. h. die Fähigkeit des Gehirns zur Umorganisation der Zusammenarbeit der intakten Nervenzellen. Besonders mehrfache Hirnschädigungen oder diffuse Hirnschädigungen z. B. durch generellen Sauerstoffmangel nach Reanimation (Hypoxämischer Hirnschaden) sind für den Lernprozess weniger günstig, da sie die Fähigkeit des Gehirnes zur Umorganisation nicht nur herdförmig sondern global beeinträchtigen. Zusätzlich können durch die Hirnschädigung bedingte Hirnleistungsstörungen (Neuropsychologische Störungen) die Lernfähigkeit einschränken.

Die Motivation zur aktiven Mitarbeit des Patienten ist ein ganz entscheidender Faktor. Sie wird von der Persönlichkeit des Patienten vor seiner Erkrankung, seiner individuellen Krankheitsverarbeitung und auch der Art seiner Hirnschädigung mitbestimmt. Die Motivation muss durch wiederholte und offene Information des Patienten erhalten werden. Die beste Motivation wird durch den für Patienten selber erkennbaren Erfolg und Fortschritt erreicht.

Angehörige nehmen eine wichtige Rolle ein. Sie können die Motivation des Patienten positiv und negativ beeinflussen, ihn aktivieren oder zur Passivität anhalten, die Krankheitsverarbeitung maßgeblich mitbestimmen und so den Rehabilitationsverlauf erheblich mitbestimmen. Deshalb ist ihre frühe Einbeziehung und Information im Bobath-Konzept vorgesehen und entscheidend.

Für die effektive Gestaltung des Lernprozesses nach Bobath ist es wichtig, dass alle an der Rehabilitation des Patienten Beteiligten miteinander und möglichst gleichartig arbeiten. Je weniger eine solche ineinandergreifende Zusammenarbeit stattfindet und je unterschiedlicher mit dem Patienten gearbeitet wird, desto geringer wird der Lernerfolg des Patienten sein.

Unter günstigen Voraussetzungen ist eine fast vollständige Wiederherstellung des Patienten durchaus möglich; jedenfalls wird der Rehabilitationserfolg bei koordiniertem Vorgehen aller Beteiligten deutlich besser ausfallen.

zurück zu Z.n.Apoplexie
zurück zu Schädel-Hirn-Verletzungen
zurück zu apallischem Syndrom
zurück zu Querschnittslähmungen
zurück zu Multiple Sklerose
zurück zu Morbus Parkinson