Facio - Oraler - Trakt - Therapie

Die Therapie des Facio-Oralen Trakts (F.O.T.T.) basiert auf dem Bobath-Konzept (Raine 2006, Lennon 2005) und ist ein multi- und interdisziplinärer, alltagsorientierter Behandlungsansatz für die Rehabilitation des facio-oralen Trakts bei Patienten mit Schädigungen des zentralen Nervensystems.

Als Funktionen und Aktivitäten des facio oralen Trakts werden

  • die Nahrungsaufnahme
  • die Mundhygiene
  • die nonverbale Kommunikation, Mimik und Gestik
  • der Komplex Atmung – Stimmgebung - Sprechen angesehen.


Ein Teil dieser Funktionen läuft reflektorisch und automatisch ab und steht je nach Aktivität und Wachheit 24 Stunden am Tag zur Verfügung, z. B. Speichelschlucken, Abruf von Schutzmechanismen wie Husten, Räuspern.
Ein anderer Teil umfasst willkürliche Bewegungen und komplexe Leistungen, z. B. die nonverbale Kommunikation und kognitiv gesteuerte Aktivitäten des täglichen Lebens (AdL), die intermittierend ausgeführt werden, z. B. Zähneputzen.

Gemeinsam ist diesen Funktionen, dass sie in einem integrativen und koordinierten Wechselspiel z. B. Atmung-Schlucken, Sprechen-Schlucken stattfinden.

Hirnschädigungen (Schlaganfall, Schädelhirntrauma, kindliche Hirnschädigung oder progrediente Erkrankung) manifestieren sich in vielen Fällen in Störungen der Körperhaltung, der Bewegungsfähigkeit und der Muskelspannung.
In Abhängigkeit von der Schwere des Krankheitsbildes und der Krankheitsphase müssen in der Therapie grundlegende, alltagsrelevante Fähigkeiten erlernt oder wieder aktiviert werden.

  • „hands-on“-/ „hands-off“-Arbeit
    Grundlage der F.O.T.T. bildet dabei die „hands-on“/„hands-off“-Arbeit in verschiedenen Ausgangsstellungen, um z. B. eine Anpassung des Haltungshintergrunds, des ganzkörperlichen Muskeltonus, der Atemfunktionen und der Atem-Schluck-Koordination zu erreichen (Kalkhof &
    Walker 2007). So wird z. B. die Hand des Patienten zu seinem Gesicht oder sein in einem Wasserglas befeuchteter Finger an seine Lippen geführt.
    Diese Alltagsorientierung kann dem Patienten helfen, seinen Mund zu öffnen.
     
  • Vorgehen in der Intensivphase
    Bei Patienten auf der Intensivstation ist der Lagewechsel eine der Situation angepasste Alltagshandlung: Ein funktionelles, der Wahrnehmung des Patienten angepasstes, Drehen von der rechten auf die linke Körperseite kann dem Patienten helfen, seinen Körper im Raum und in Beziehung zur Umwelt wahrzunehmen und die Aufmerksamkeit zu steigern. Durch den
    Positionswechsel wird es ihm eventuell möglich, seinen nichtwahrgenommenen und nicht geschluckten Speichel im Mund zu spüren.
    Die veränderte Wahrnehmung kann als motorische Antwort erste Zungentransportbewegungen auslösen, die durch den Therapeuten oder die
    Pflegende mit einer zusätzlichen taktilen Hilfe z. B. am Mundboden zu einem Schlucken fazilitiert werden kann (Nusser-Müller-Busch 2007b, c).
     
  • Mundstimulation
    Eingeschränktes Sprechen und Schlucken führen zu einer Deprivation im Mundraum. Als Ersatz für fehlende aktive Zungen- und Schluckbewegungen kann hier die Mundstimulation eingesetzt werden. Die Sequenz der Mundstimulation beinhaltet auch eine Stabilisierung des Kiefers sowie
    Pausen, um dem Patienten Zeit und die Voraussetzung für eine orale Reaktion oder Antwort, eventuell für ein Schlucken zu geben (Elferich & Tittmann 2007).
     
  • Trachealkanülenmanagement
    Ist ein Patient mit einer geblockten Trachealkanüle versorgt, dann ist physiologisches Husten als Schutzmechanismus nicht möglich. Der Larynx und der Pharynx werden nicht mit dem physiologischen Reiz des Ausatemstroms stimuliert. Dadurch werden Residuen im facio-oralen Trakt
    nicht oder vermindert gespürt und die Frequenz der Reinigung durch Schlucken sinkt. Im Rahmen des Trachealkanülenmanagements werden zur Wiederherstellung des physiologischen Ausatemweges, z. B. soweit möglich die therapeutisch entblockte Trachealkanüle mit einem Sprechaufsatz versorgt oder eine temporäre Dekanülierung vorgenommen. Ziel ist es, das
    Schlucken als physiologische Antwort auf die verbesserte Sensibilität anzubahnen und die Schluckfrequenz zu steigern, die physiologischen Schutzmechanismen zu aktivieren und Phonation und ggf. Sprechen zu ermöglichen (Seidl et al. 2007b, Sticher & Gratz 2007).
     
  • Interdisziplinäre Teamarbeit
    Im Rahmen der konzeptionell verankerten interdisziplinären Teamarbeit werden alle Aktivitäten immer unter therapeutischen Aspekten durchgeführt.
    Dies sollte dem Patienten von allen an einer Rehabilitation beteiligten und geschulten Behandlern (Pflegende, Physio- und Ergotherapeuten, Logopäden…) und auch durch Angehörige im Laufe des 24-Stunden-Rehatages angeboten werden. Zum Beispiel das Abtupfen des Mundes mit festem, taktilem Druck in Richtung Mundschluss oder das Unterbrechen einer Tätigkeit, wenn der Patient Schluckbewegungen zeigt (Elferich & Tittmann 2007).
     
  • Rehabilitationsprozess
    In der Rehabilitation können gezielte und differenzierte Hilfen bei komplexeren Alltagshandlungen eingesetzt werden. Auch die Mundhygiene bietet mehrmals täglich die Möglichkeit zur Verbesserung der Sensibilität und der Bewegungsanbahnung. Die zunächst therapeutisch durchgeführte Reinigung der Zähne und die Entfernung von Speichel oder Nahrungsresten
    kann im Laufe der entstehenden oralen Routine zur Aktivierung von Reinigungsbewegungen der Zunge, zum Schlucken von Speichel und/oder zum Ausspucken von Wasser führen. Im Rahmen der Schluckanbahnung und des therapeutischen Essens wird der prä-oralen Phase der
    Schlucksequenz Rechnung getragen, indem Maßnahmen wie die Positionierung am Tisch, das Essen sehen, riechen und eventuell zubereiten und zum Mund führen u. a. in die Therapie mit einbezogen werden.
    Hilfsmittel, die den Wiedererwerb funktioneller Fertigkeiten für die Nahrungsaufnahme und die Mundhygiene unterstützen, werden eingesetzt (Müller et al. 2007, Elferich & Tittmann 2007).
     
  • Therapeutische Hilfen
    In der F.O.T.T. werden vor allem taktil-kinästhetische, aber auch visuelle, auditive, olfaktorische und gustatorische Stimuli als therapeutische Hilfen in den Handlungssequenzen eingesetzt und in variierenden funktionellen, alltagsbezogenen Wiederholungen die Prinzipien des motorischen Lernens angewendet. Diese Prinzipien finden auch Anwendung in den F.O.T.T.-Bereichen Atmung, Stimme und Sprechen und im Bereich nonverbale Kommunikation (Kalkhof & Walker 2007).
     



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